VATER UNSER

Matthäus 6,7-15

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden;
denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen.
Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.
Darum sollt ihr so beten:

Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.


[Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]

Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt,
so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.
Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt,
so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.



Der für mich am schwersten zu verstehende Vers des "Vater Unser" war bisher der Anfang von Vers 13 »Und führe uns nicht in Versuchung ...« (Luther)

Worum bitten wir hier unseren himmlischen Vater?

Zunächst einmal beten wir mit den Worten Jesu hier ja nicht darum, dass Er uns nicht "versuchen" möge. Denn Gott "versucht" uns nicht, sondern "bewahrt" uns vor der Versuchung. Alles andere würde schon den ersten Kapiteln der Bibel widersprechen. Würde Gott die Menschen versuchen wollen, dann hätte Er den "Baum der Erkenntnis" im Garten Eden nur deshalb gepflanzt und ihn so "schön anzusehen" erscheinen lassen, damit die Menschen durch die Verzückung in Versuchung geraten, und Er sie dann anschließend aus dem Paradies vertreiben kann, um endlich wieder "Ruhe" zu haben. Vielmehr hat Gott von Anfang an sich mit all seiner Liebe und Gnade um das Wohl der Menschen gekümmert, insbesondere, wenn sie ihren eigenen Versuchungen zu erliegen und damit des paradieschen EINS-Seins mit Gott verlustig zu gehen drohen. Denn nur Er kann in die Herzen der Menschen sehen. Respektvoll und in Liebe wendet sich der Schöpfer an seine Geschöpfe, appelliert an ihren "Verstand" und an ihr "Herz", schenkt ihnen Weisheit und Liebe und "sagt" uns, was Er "in" uns "sieht" und was uns "bevorsteht", wenn wir nicht zu Ihm umkehren. Gott schenkt allen Menschen seine unermessliche Liebe und "sieht" auch in die Herzen derer, die "von" Ihm nichts "hören", allenfalls etwas "über" Ihn "wissen" wollen. Wenn wir uns hochmütig und eigensinnig von Seiner Liebe und Obhut abwenden, lieber unserem eigenen Wissen anstatt Seiner Stimme folgen, dann warnt uns der himmlische Vater eindringlich vor den schlimmen Folgen solcher "SELBST"-Sucht. Adam, Eva und Kain genossen diese göttliche Fürsorge und wurden sorgsam darüber aufgeklärt, was geschieht, wenn sie anstatt auf Gottes Stimme zu "hören" und seinen Anordnungen zu befolgen nach "eigenem" Denken entscheiden, was sie tun und handeln.

Der Mensch selbst dreht das göttliche Wirkungsprinzip genau auf den Kopf. Anstatt Gottes Prinzipien anzunehmen, anstatt sich vom Geist Gottes leiten zu lassen, erhebt der Mensch sein Haupt über Gottes Gesetz. Anstatt Gottes Wort im Herzen zu "bewahren" und sich diesem unterzuordnen, legt der Mensch Gottes Wort auf eigene Weise aus. Nicht das Schaffenswerk als solches, weder der "verlockend anzusehende" (1Mo 2,9; Luther) Baum im Garten Eden, weder die Sonne, Mond und Sterne und auch nicht der Mensch in seiner Herrlichkeit sind unser Fallstrick. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist "sehr gut". Sein "Gesetz", nach dem selbst die Gestirne in ihren von Gott festgelegten Bahnen ziehen, "ist vollkommen und erquickt die Seele" (Ps 19,8). Wir selbst "versuchen" uns, wenn wir uns "Türme in Babel" bauen und uns mit unserem Schaffenswerk voller Stolz erheben. Wenn wir die von Menschenhand geschaffenen materiellen Dinge in all ihrem Prunk oder die von menschlicher Denke geschaffenen Konstrukte wie z.B. die theologischen Besserwissereien dann auch noch "begehren", lenken wir selbst uns ab vom Schöpfer und von Seinem Willen. Nicht Gott "versucht" uns also, sondern der Mensch versucht sich "selbst", wenn er anstatt auf die Stimme Gottes zu "hören", seinen eigenen Gedanken, seiner Meinung, seinem "Wissen", seiner Lust und Begierde folgt, in der Meinung, "selbst" erkennen zu können, was richtig íst und was falsch.

Das Verstehen des Verses Mt 6,13 verdanke ich auch der aus der aramäischen Sprache übersetzten Lamsa-Bibel. Denn dort lautet dieser Vers »and do not let us enter into temptation ...«

Mt 6,13 in der Lamsa-Bibel